In zwei neuen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 16. Januar 2006 sowie des Oberlandesgerichts München wurden neue Grundsätze zu den Themenbereichen
- Aufbringung des Stammkapitals in der GmbH sowie
- verbotene Stammkapitalrückzahlung gemäß § 30 GmbHG
aufgestellt, die zu Cash-Pool-Konstruktionen ergangen sind und deshalb erhebliche Auswirkung auf die Konzernpraxis haben.
1. Die Urteile
Der BGH hatte zwei Parallelfälle zu entscheiden, in denen eine Kapitalerhöhung zu Sanierungszwecken in einer GmbH beschlossen wurde. Zwei Gesellschafter, die auch beherrschend an dem Mutterunternehmen beteiligt waren, hatten neue Stammeinlagen von je 750.000,00 DM übernommen und das Geld auch bar eingezahlt. Allerdings wurde nach Eintragung der Kapitalerhöhung ins Handelsregister der Geldbetrag von der Konzernmutter, die von den Gesellschaftern beherrscht wurde, im Rahmen eines Cash-Pool-Systems (Drecon-Verfahren) abgesaugt und das Konto auf 0 gestellt.
Der BGH sah hierin keine wirksame Leistung der Stammeinlage, weil der Betrag nicht endgültig zur freien Verfügung der Geschäftsführung stand. Zwar hatte in dem entschiedenen Fall die GmbH Anspruch gegen die Konzernmutter auf Auszahlung von Darlehen im Rahmen des Cash-Pool-Verfahrens, doch sei dies, so der BGH, einer Bareinzahlung nicht gleichwertig.
Die Gesellschafter wurden im Ergebnis verurteilt, die je 750.000,00 DM nochmals (an den Insolvenzverwalter) zu bezahlen.
Das OLG München hatte im Anschluss an eine Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2004 entschieden, dass das Absaugen von Positivsalden von Konten einer GmbH durch die Muttergesellschaft im Rahmen des Cash-Pool eine verbotene Stammkapital-auszahlung im Sinne von § 30 GmbHG darstellt, es sei denn, das Stammkapital sei durch liquide Sicherheiten vollwertig abgesichert, was wohl eher selten der Fall sein dürfte.
Dies bedeutet, dass das Absaugen von Positivsalden auf Konten einer GmbH im Rahmen des Cash-Pool verbotene Stammkapitalrückzahlung im Sinne von § 30 GmbHG ist, wenn im Übrigen nicht das Stammkaptial durch andere Aktiva eindeutig dargestellt werden kann.
2. Folgerungen
In der Literatur wird seit den Entscheidungen des BGH vom Januar 2006 diskutiert, ob damit Cash-Pool-Systeme in der Praxis gestorben sind. Diskutiert wurde auch, ob der Cash-Pool nicht durch Vereinbarung von Organschafts- und Ergebnisabführungsver-trägen gerettet werden kann, doch lassen die Entscheidungsgründe des BGH nach wohl überwiegender Auffassung in der Literatur eher darauf schließen, dass dies nicht der Fall ist. Für die Praxis bedeutet das folgendes:
- Kapitalerhöhungen
Wenn Kapitalerhöhungsbeschlüsse gefasst werden und Bareinzahlungen auf die Kapitalerhöhung erfolgen, darf das so eingezahlte neue Stammkapital keinesfalls im Wege einer Cash-Pool-Vereinbarung an den Gesellschafter zurückfließen. Es muss vielmehr auf Konten, die nicht in den Cash-Pool eingebunden sind, eingezahlt werden und von dort von der GmbH für unternehmerische Zwecke verwendet werden, die nichts mit dem Gesellschafter zu tun haben. - Vermeidung der Folgen des § 30 GmbHG
Um zu vermeiden, dass die Liquiditätsabflüsse im Rahmen eines Cash-Pool-Systems verbotene Stammkapitalrückzahlung im Sinne von § 30 GmbHG mit der Folge sind, dass jede Zahlung, vor allem im Insolvenzfall, zurückgezahlt werden muss, muss in der Zukunft streng darauf geachtet werden, dass bei Teilnahme am Cash-Pool-Verfahren in der GmbH das Stammkapital durch andere werthaltige Aktiva gesichert ist. Dies ist zu dokumentieren. Ist dies zweifelhaft, kann bei der derzeit unsicheren Rechtslage nur geraten werden, die Gesellschaft in diesem Fall aus dem Cash-Pool ausscheiden zu lassen.