Muss Heilpraktiker Schadensersatz und Schmerzensgeld bezahlen?

Der Sachverhalt

Eine krebskranke Frau wendet sich an eine Heilpraktikerin, um ihre Krebserkrankung alternativ behandeln zu lassen. Diese rät ihr, die schulmedizinische Chemo- und Strahlentherapie abzubrechen. Sie schlägt eine Behandlung mit Kapseln mit Schlangengift vor. Kurze Zeit später stirbt die junge Mutter. Der Partner der Verstorbenen klagt nun gegen die Heilpraktikerin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld für das gemeinsame Kind. Nachdem das LG Passau die Klage abgewiesen hatte, ist nun das OLG München in der Berufung zuständig.

Was war passiert?

Der Sohn der Patientin wurde 2015 wurde geboren, zu einem Zeitpunkt, als seine Mutter schon erkrankt war. Weil die Heilpraktikerin auf ihre Patientin eingewirkt habe, habe diese eine Strahlentherapie abgebrochen und sich auf die Behandlung mit Präparaten aus Schlangengift, sogenannten Horvi-Präparaten, verlassen.

Was sagt die Behandlerin?

Die Heilpraktikerin streitet das ab und erklärt, es sei der freie Wille der Patientin gewesen, die Strahlentherapie abzubrechen. Sie habe der Frau sogar geraten, die Strahlentherapie wieder aufzunehmen. Im Übrigen wäre ihr Tod wahrscheinlich auch bei einer Fortsetzung der Therapie nicht zu verhindern gewesen. Außerdem sei die Patientin ab Ende Juni in Behandlung eines anderen Heilpraktikers gewesen. Das OLG München hat noch keine Entscheidung getroffen; diese soll Ende März folgen.

Rechtliches

Immer wieder beschäftigen sich Gerichte mit Behandlungen von Heilpraktikern außerhalb der klassischen Schulmedizin. Problematisch dabei ist vor allem, dass Heilpraktiker zwar eine Prüfung ablegen müssen, bevor sie Diagnosen stellen und/oder beispielsweise Infusionen legen dürfen. Voraussetzung für eine Prüfung ist aber „nur“ ein Mindestalter von 25 Jahren und ein Hauptschulabschluss. Die derzeit gültigen Regelungen gehen noch auf das Jahr 1939 zurück.

Fraglich ist auch, ob die Heilpraktikerin ihre Sorgfaltspflichten verletzt hat. Hätte nicht der dringende Rat zu einer Fortsetzung der Strahlentherapie bei der fortgeschrittenen Erkrankung erfolgen müssen? Wie muss der Wille des Patienten, die schulmedizinischen Maßnahmen abzubrechen, gewertet werden? Wie hätte sich der Zustand der Patientin selbst bei schulmedizinischer Behandlung entwickelt; wäre sie auch so gestorben?

Fahrlässige Tötung?

Neben der Frage, ob Schadensersatz geleistet werden muss, spielt hier auch eine strafrechtliche Frage eine Rolle: hat die Heilpraktikerin den Tod ihrer Patientin fahrlässig (mit-)verursacht? Allerdings wurde hier das strafrechtliche Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft wegen dieses Vorwurfs eingestellt.

Hinweise

Der Sachverhalt zeigt deutlich die Schwierigkeiten in medizinrechtlichen Haftungsfragen. Es ist nicht nur zu klären, wer einen Fehler begangen hat bzw. welcher Verstoß gegen Regeln der ärztlichen Kunst vorliegt. Wesentlich schwieriger ist es, nachzuweisen, dass ein solcher Fehler auch dazu geführt hat, dass bestimmte Folgen bei dem Patienten eingetreten sind. Umso wichtiger ist es, hier einen Fachmann zu beauftragen, der nicht nur diese Probleme kennt, sondern sich seit Jahren mit Arzthaftungsfragen beschäftigt und auch mit der Rechstprechung vertraut ist; denn bei einem groben Behandlungsfehler und einem nicht verständlichen Handeln des Behandlers dreht sich die Beweislast: der Behandler muss sich entlasten und beweisen, dass sein Fehler keine Auswirkungen hatte.

Wenden Sie sich deshalb in einem solchen Fall an einen Fachanwalt für Medizinrecht!